Liebe Schülerinnen und Schüler,
liebes Lehrerkollegium,
sehr geehrte Damen und Herren,
dem Wilhelm-Remy-Gymnasium und allen, die in unterschiedlicher Art und Weise für den Schulbetrieb verantwortlich sind und hier lernen und arbeiten, möchte ich ganz herzlich gratulieren. Die Verleihung des Titels „Schule gegen Rassismus“ durch die Bundeszentrale für politische Bildung ist eine große Ehre – die man sich allerdings auch erstmal erarbeiten muss. Sie krönt Ihre Bemühungen um ein diskriminierungsfreies Miteinander. Es ist eine Auszeichnung, die nicht allein steht, denn schon in der Vergangenheit ist Ihre Schule durch das Inklusionskonzept positiv in Erscheinung getreten.
Das Wilhelm-Remy-Gymnasium ist eine Schule ohne Rassismus. Was ist eigentlich Rassismus? Ganz bestimmt haben Sie, habt Ihr über diese Frage viel diskutiert. Rassismus ist Diskriminierung aufgrund der Rasse.
Und was, bitte, ist eine Rasse? Bei Hunden kennen wir das – aber beim Menschen? Im allgemeinen Sprachgebrauch und sogar in der Wissenschaft wird dieser Begriff für Menschen heute zum Glück fast nicht mehr verwendet.
Differenzen sind nämlich nur in einer ganz kleinen Gruppe von Genen zu finden. Der genetische Anteil, der bei uns allen gleich ist – von Grönland bis nach Südafrika, von China bis Hawaii – ist so ungleich größer, nämlich 99,99 Prozent, dass es absurd ist, sich auf die Unterschiede zu konzentrieren.
Wenn man nach Unterschieden sucht, wo keine sind, hat das nämlich praktisch immer den Grund, dass man Wertungen vornehmen möchte. Wer die Unterschiede betont, hat ein Interesse – das Interesse, den anderen abzuwerten.

Der stellvertretende AfD-Vorsitzende Gauland hat neulich über den deutschen Fußballnationalspieler Boateng gesagt, die Leute fänden ihn als Fußballspieler gut, aber sie wollten ihn nicht als Nachbarn haben. Warum sagt jemand so etwas? Weil er dunkelhäutige Menschen abwerten wollte. Gauland glaubte, aus dieser Abwertung Kapital schlagen zu können, seine Anhänger noch stärker um sich zu scharen. Er wollte ein Gefühl „Wir“ gegen „die“ erzeugen. Zum Glück gab es einen öffentlichen Aufschrei und die Äußerung wurde als das entlarvt, was sie ist: purer Rassismus.
Das „Wir“ gegen „die“ aufgrund angeblich vorhandener Unterschiede war die Strategie der Nazis im „Dritten Reich“. Minderheiten wurden systematisch ausgegrenzt, um die eigene Klientel dadurch zu überhöhen und ein Gemeinschaftsgefühl der Überlegenen zu erzeugen. Menschen jüdischen Glaubens, anderer Hautfarbe oder Homosexuelle wurden ausgestoßen, beraubt und ermordet. Unterschiede in der sexuellen Orientierung, der Hautfarbe oder im Glauben wurden überbetont und das viel größere Gemeinsame ausgeblendet: Dass es sich bei allen um Menschen mit einer unantastbaren Würde handelte.
Die Geschichte hat gezeigt, dass das bewusste Aufzeigen von Unterschieden zwischen Menschen nie zielführend war, sondern dabei alle verloren haben.
Dabei kommen Rassismus und Diskriminierung nicht immer so offensichtlich daher wie bei Herrn Gauland. Es ist kein bisschen besser, Menschen auszugrenzen wegen körperlicher Beeinträchtigungen, weil sie vielleicht schwul oder lesbisch sind, etwas anderes glauben als du – oder auch nur, weil jemand etwas zu viel Gewicht oder die falschen Klamotten hat. Dass auch Ihr all das im weiteren Sinne ebenfalls unter Rassismus fasst, zeigt mir die Auswahl Eurer Projekte. Bitte bleibt auch in Zukunft wachsam, wenn jemand anfängt, Unterschiede zu betonen, die keine sind. Oft kommt der Rassismus auf leisen Sohlen daher und schleicht sich heimlich in unser Denken und Handeln.
Darum müssen wir immer und immer wieder das Gemeinsame betonen: die Menschenwürde, die uns alle ausmacht. Oder, auf Euren und meinen Alltag bezogen: Das, was uns miteinander verbindet. Haben die Menschen in meinem Umfeld nicht ähnliche Sorgen und Probleme? Verbinden uns die Erfahrungen, die wir gerade z.B. in der Schule gleichzeitig machen, sehr viel stärker, als dass uns Äußerlichkeiten trennen?
Wenn wir so denken, brauchen wir niemanden auszugrenzen, um uns selbst stärker zu fühlen.
Leider ist Abgrenzung gerade in der Politik ein häufig eingesetztes Mittel. Welche katastrophalen Folgen Abgrenzungsgedanken haben können, hat die Brexit-Kampagne in Großbritannien gezeigt. Es waren vor allem die Menschen, die glaubten, auf der Verliererseite zu stehen, die für den Brexit gestimmt haben. Sie wurden mit fremdenfeindlichen Parolen aufgehetzt, zu denen vor allem eine bewusst geschürte Angst vor der europäischen Flüchtlingspolitik und vor dem sozialen Abstieg gehörte. Inzwischen weiß ganz England, dass diese Parolen falsch waren, und die Brexit-Inititatioren haben sich aus der Verantwortung gestohlen. Verzweifelt wird nach einer Lösung gesucht, die Entscheidung rückgängig zu machen, denn sonst würden gerade diejenigen, die für die Abgrenzung gestimmt haben, am meisten durch die fatalen wirtschaftlichen Folgen verlieren.
Sind der Erfolg der AfD und der Brexit-Befürworter Zeichen dafür, dass Rassismus gesellschaftsfähig geworden ist? Für diese Annahme gibt es leider einige Anzeichen. Umso wichtiger ist es, deutliche Zeichen dagegen zu setzten. Ihr habt ein Zeichen gesetzt.
Das Handeln der Schülerinnen und Schüler dieser Schule ist ein Vorbild, an dem sich auch viele Erwachsene ein Beispiel nehmen könnten. Ihr zeigt Mut und Entschlossenheit und tretet Rassismus offensiv gegenüber, bietet solchem Gedankengut die Stirn, zeigt Courage und äußert Eure Meinung.
Vor allem die Schülervertretung hat sich gemeinschaftlich eingesetzt, um die notwendigen Anforderungen für den Erhalt des Titels zu erfüllen und hat somit die Weichen für diesen Tag gestellt: Ihr habt die Initiative ergriffen und die Bewerbung bei der Bundeszentrale für politische Bildung eingereicht. Dazu war eine Unterschriftensammlung unter den Schülern notwendig, an der sich auch die Mehrheit beteiligt hat. Zudem erklärtet  Ihr Euch bereit, die jährliche Organisation entsprechender Projekttage zu übernehmen. Die ersten dieser Art finden momentan statt, und was ich heute davon gesehn habe, macht wirklich Lust auf mehr.

Ich empfinde ich es als große Ehre, zukünftig als Patin im Rahmen dieses Projekts zu fungieren und den eingeschlagenen Weg Eurer Schule weiter zu begleiten. Die Projekte der vergangenen Tage, die ich eben kurz anschauen durfte, machen jedenfalls Lust darauf.
Ich freue mich schon auf die Projekttage im nächsten Jahr, doch bis dahin vergehen noch 365 Tage. Wenn Ihr Ideen für weitere Aktionen, Diskussionsbedarf über politische Fragen oder sonstigen Unterstützungsbedarf habt, könnt Ihr Euch gerne an mich wenden.
Ich bedanke mich für Eure Aufmerksamkeit und wünsche Euch weiter viel Freude, Erfolg und wichtige Erfahrungen.